Sturztraining
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Trainingslehre
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Thorsten Wild
Beiträge: 601
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Beitrag vom: 02.08.2011 - 11:14
Da wir es in einem anderen Thread hiervon hatten und ich auch immer wieder Feststelle das es teilweise unterschiedliche Meinungen gibt, stelle ich mal hiermit meine Meinung zur offenen Diskussion:
Das so genannte Sturztraining
Es gibt zwei unterschiedliche Formen des Sturztrainings. Einerseits das Training für den Sicherer mit Demonstrationszweck und das eigentliche Sturztraining (meiner Meinung nach).
Das Sturztraining für den Sicherer verläuft in etwa wie folgt: Kletter geht im Toprope oder Vorstieg hoch und der Sicherer gibt dann auf Anweisung des Trainers oder wenn er erfahrener ist kein oder eine bestimmte Menge Schlappseil aus. Der Kletterer springt danach aus der Wand. Hierbei wird gerade unter Traineranleitung auch mit großen Sturztiefen gearbeitet.
Meiner Meinung nach sieht das Sturztraining zur Minimierung der eigentlichen Sturzangst anders aus:
Die Zielsetzung des Sturztrainings sollte für den Kletterer wie folgt sein:
- die richtigen Bewegungsformen für einen Sturz einzutrainieren
- die Entspannung/Anspannung der Muskeln zu koordinieren
- eine Gelassenheit gegenüber einem Sturz zu erlangen
- die Möglichkeit bewusst und kontrolliert zu stürzen
Das eigentliche Sturztraining sollte meiner Meinung nach zunächst im Toprope anfangen. Gerade Unerfahrene sollten auf jeden Fall einen Trainer zum Sturztraining hinzuziehen.
Im Toprope klettert der Kletterer die Wand hoch. Sobald er über die vorauszusetzende Sicherheitshöhe geklettert ist kann er mit dem Training beginnen:
Stufe 1.
Nach dem Kommando „Zu“ in das Seil setzen. Danach Blickkontakt zum Partner suchen. Eventuell auch mal ein wenig im Seil pendeln.
Danach noch einmal an die Wand stellen und reinfallen lassen. Dieses sollte man machen, bis man hierbei kein mulmiges Gefühl hat. Es sollte ein selbstverständlicher Vorgang sein.
Stufe 2.
Nach dem Kommando „Zu“ an der Wand stehen bleiben, danach mit dem Kommando „Seil“ zunächst einige cm Seil anziehen (WICHTIG!!! Sprecht dieses Verhalten vorher mit eurem Sicherungspartner noch einmal durch, damit er weiß, was ihr vorhabt und entsprechend richtig reagiert und nicht vielleicht noch zusätzlich Schlappseil gibt).
Mit den gewonnenen Zentimetern dann erneut in das Seil setzen.
Wichtig ist hierbei das hierbei auf jeden Fall die oben genannten Ziele immer erreicht werden müssen bevor man die Länge des Seils steuert. Der Kletterer muss sich wohl fühlen bei dem Sturz und entspannen (deshalb halte ich auch nichts davon, das der Sicherer das Schlappseil entstehen lässten).
Dieses steigert man bis man eine Sturztiefe von 5 Meter erreicht und sich dabei wohlfühlt.
Stufe 3.
Man wechselt aus dem Topropebereich mit dem Sturztraining in den Vorstiegsbereich. Dazu verwendet man die Methode Click & Drop.
Hierzu auf Deutsch eine Kurzanleitung
http://www.klettern.de/service/besser-klettern/sturzangst-abbauen.368718.5.htm?skip=4
und im englischen Original ausführlich:
http://www.ukclimbing.com/articles/page.php?id=1838
Ergänzungen? Meinungen? Anti-Thesen?
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Kalle Demetz
Beiträge: 3324
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Beitrag vom: 02.08.2011 - 12:18
Im Großen und Ganzen kann ich Dir zustimmen. Wie man das Training aufbaut hängt von den Personen und den Erfahrungen ab.
Zwei Punkte soll das Training bewirken:
1. Erlernen der richtigen Bewegungsabläufe
2. Positive Erfahrungen mit dem Stürzen
Wichtig ist es, immer mit kurzen Sprüngen zu beginnen (evtl. auch im Vorstieg unter der Exe) und dann langsam steigern.
Bei großer Sturzangst evtl. den Kletterer aus einem straffen Seil nach oben springen lassen etc.
Das Sturztraining sollte man möglichst oft wiederholen, ab Besten jedesmal beim Klettern 1-2 mal ins Seil springen.
Ziel sollte sein, dass man in einer sehr schweren Tour (eine, die man nicht durchsteigen kann) im Vorstieg klettert, bis man ins Seil fliegt (nicht abklettern oder so). Natürlich sollte man nur so klettern, dass Stürze immer kontrolliert bleiben. |
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Thorsten Wild
Beiträge: 601
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Beitrag vom: 02.08.2011 - 12:39
Ich hab mich eigentlich vorher nie so wirklich um das Sturztraining gekümmert. Aber mittlerweile versuche ich regelmäßig dieses irgendwie einzubauen um meine Angst zu minimieren.
Im Toprope beim Ausbouldern von Routen ist es mittlerweile so weit in Fleisch und Blut übergegangen das ich mittlerweile mit meinem Seilpartner die stillschweigende Übereinkunft habe das bei "ich mach noch mal" er zwar das Seil etwas strammer nimmt aber ich die meist 5-6 Meter einfach durchs rausspringen runter gehe.
Es hilft zumindest sehr intensiv auch generell die Angst abzubauen...am Anfang war es immer erst ein großes Happening...mitlerweile bin ich sogar eher irritiert wenn er mich dann doch noch mal einen Meter ablassen muss, wenn das Seil zu stramm war. |
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Michael Weigel
Beiträge: 45
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Beitrag vom: 02.08.2011 - 16:23
Es ist schon komisch, was dem Kletterer so durch den Kopf geht.
Wenn ich an meiner Leistungsgrenze klettere und einen schweren Zug vor mir habe, dann schaue ich immer erst nach unten, ob meine Sicherungspartner auch konzetriert bei der Sache ist.
Seltsam.
Wenn ich jemanden sichere, der an seinem Limit klettert, ist es für mich selbstverständlich schon mal vorrauszuschauen wo die Crux liegt, auf Wackler des Kletterers zu achten, das Sturzgelände im Auge zu haben (Absätze, Überhänge, Volumenelemente,...) und mich dabei von nichts ablenken zu lassen.
Wenn mein Sicherer genauso denkt, dann ist meine Sturzangst völlig unnötig. Und trotzdem ist sie da.
Und Sturztraining ändert daran nicht viel. Danach klettere ich oft sogar mit mehr Hemmungen. Irgendwie mit angezogener Handbremse. Was mir wirklich weiter hilft ist jeder ungeplante Sturz, bei dem nichts passiert. Abrutschen, fallen, sicher im Seil hängen. Leider kommt das bei mir nicht oft vor. |
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Thorsten Wild
Beiträge: 601
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Beitrag vom: 02.08.2011 - 16:37
Zitat: Es ist schon komisch, was dem Kletterer so durch den Kopf geht.
Oh ja. Am interessantesten finde ich manchmal den Gedankengang: "Wenn du jetzt fällst sind es nur ein oder zwei Meter. Es kann nichts passieren, da die Silokante ca. 12 Meter unter mir ist. Hm...einfach nur mal schnell probieren...im Notfall gibt es was zu lachen" und kurz darauf ertönt dann plötzlich ein "Zu" mit meiner Stimme und ich frage mich, wer das denn jetzt gerufen hat.
Zitat: Wenn ich jemanden sichere, der an seinem Limit klettert, ist es für mich selbstverständlich schon mal vorrauszuschauen wo die Crux liegt, auf Wackler des Kletterers zu achten, das Sturzgelände im Auge zu haben (Absätze, Überhänge, Volumenelemente,...) und mich dabei von nichts ablenken zu lassen.
Ich betitele das immer als mitfiebern in der Route. Der Versuch die Bewegung zu erahnen und was eventuell schief geht.
Zitat: Wenn mein Sicherer genauso denkt, dann ist meine Sturzangst völlig unnötig. Und trotzdem ist sie da.
Leider...und sie will manchmal partout nicht weg.
Zitat: Und Sturztraining ändert daran nicht viel.
Hm...ich fange gerade an das Sturztraining intensiver zu betreiben und jetzt so was. Hatte ich schon erwähnt das du fies sein kannst?
Zitat: Leider kommt das bei mir nicht oft vor.
Bei mir auch nicht, weil ich meist kurz vorher enttäuscht abbreche. Deswegen hege ich ja die Hoffnung, wenn ich jetzt gezielt immer wieder Sturztraining mache, das sich das irgend wann wieder bessert.
Wie machst du denn dein Sturztraining? Clip & Drop oder ein anderes Verfahren? |
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Michael Weigel
Beiträge: 45
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Beitrag vom: 02.08.2011 - 23:11
Gerade letztes Wochenende bin ich eine fiese Route gestiegen. Vom 5. Haken weg gab es einen Dynamo und irgendwie war mir das Seil im Weg. Man steht dort eingedreht und hat die Exe auf Kniehöhe. Beim Schwung holen reibt das Seil über den Oberschenkel.
Erster Versuch: Schwung holen, aufstehen, reicht nicht, reinfallen lassen. Kleiner Sturz.
Zweiter Versuch: "Gib mal mehr Seil aus.", Schwung holen, Angst bekommen, reingeplumpst. Der Sturz war gleich knapp zwei Meter weiter. Im dritten Anlauf ging es dann.
Das war so die Mischung aus Sturztraining und Ernstfall. Ich würde mir das nur gerne mal ohne die zwei Probestürze trauen. Ich weiß ja jetzt, dass es klappen würde.
Ideal wäre ein Sturztraining, bei dem ich ein klippen andeute und abspringe, bevor das Seil in der Exe ist. Aber das traue ich mir nur selten und auch nur nach langsamen herantasten. |
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Thorsten Wild
Beiträge: 601
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Beitrag vom: 03.08.2011 - 00:43
Das ist dann Stufe 3 vom Clip & Drop.
Stufe 1: Clippen über Kopf
Stufe 2: Clippen in Hüfthöhe
Stufe 3: vor dem Clippen Springen
Stufe 4: Über Kopf vor dem Clippen springen
Im Moment komme ich beim Clip & Drop bis Stufe 2. Stufe 3 traue ich mich zwar auch noch, aber wohl fühlen und entspannt sein ist definitiv etwas anderes. Wenn du dir im Video anschaust was der Trainer bei dem Training hinlegt wird mir Angst und Bange, wenn ich das mal machen sollte. |
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Thomas Spandl
Beiträge: 194
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Beitrag vom: 04.08.2011 - 09:02
Bei uns wird das Sturztraining leider etwas vernachlässigt
Wenn ich die Leute immer danach frage, heist es nur: lass mal gut sein.
Daher mach ich es mitlerweile so, das ich ich mich ohne vorwarnung fallen lasse.
Die Clip & Drop methode, hatte ich bisher nur einmal mit Thorsten gemacht. Kann ich nur empfehlen
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Kalle Demetz
Beiträge: 3324
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Beitrag vom: 04.08.2011 - 11:50
Ich finde das Sturztraining eins der wichtigsten Trainingsarten fürs Klettern überhaupt. Auch wenn es sehr oft vernachlässigt wird, da es nur indirekt mit der Kletterleistung zusammenhängt.
Rein sicherheitstechnisch gesehen ist der Sturz die einzige Situation (von Fingerverletzungen mal abgesehen), bei der sich der Kletterer schwer verletzen kann. Was liegt denn da näher, als gerade diese Situation, in die jeder Kletterer früher oder später kommen wird, speziell zu trainieren? Und auch für den Sicherer - wie soll er bei einem Sturz in Sekundenbruchteilen richtig reagieren, wenn er diese Situation vorab nie erlebt hat?
Unter anderem hängen folgende Fehler dierekt oder indirekt mit der Sturzangst und somit auch von fehlenden Sturztraining ab:
- zu frühes Klippen
- Seil in den Mund nehmen
- überhastetes Klippen
- an der Exe festhalten
- beim Sturz ins Seil fassen
- unkontrollierter Aufprall beim Sturz
- Exen falsch einhängen
- falscher Seilverlauf (Füße hinter dem Seil)
- Sicherer wird unkontrolliert an die Wand gezogen
- Sicherer hält das Bremsseil falsch
- Statisches Sichern (harter Sturz)
Wenn ich länger überlegen würde, dann würden mir sicher noch weitere Fehler... |
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Thorsten Wild
Beiträge: 601
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Beitrag vom: 04.08.2011 - 11:57
Das Problem daran ist meist, das man viel zu wenig Sturztraining macht. Eigentlich gehört es zu jeder Klettersession (zumindest Indoor) mit dazu (für eine halbe Stunde).
Aber ist nicht ganz so einfach sich dazu auf zu raffen. |
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